99 Luftballons

Giovanni Vincenco Infantino ist seit dem 26. Februar diesen Jahres Nachfolger des am Ende sehr umstrittenen Sepp Blatter als FIFA-Präsident. Seitdem lässt der 46-Jährige viele Luftballons steigen, um zu sehen, welche platzen und welche fliegen. Fast drängt sich der Gedanke auf, er sei als Teenager ein Fan von Nena und ihren 99 Luftballons gewesen.

Mal lässt Infantino einen Ballon mit 40 WM-Teilnehmern steigen, mal einen mit 48. Alles nur heiße Luft oder doch ein Heißluftballon? Jedenfalls will der Präsident Anfang Januar dem « FIFA-Rat », wie das frühere Exekutiv- Komitee jetzt heißt,  einen konkreten Plan zur Abstimmung vorlegen. Da tut es ihm gut, im Vorfeld schon zu wissen, aus welchen Ballons die Luft schon raus ist. Dann kann er sich nicht mehr blamieren.

Der derzeit vorletzte Versuchsballon war die Idee, bei 48 Teilnehmern 16 Gruppen à drei zu bilden. Mal abgesehen davon, wie absurd es ist, wenn 16 Mannschaften nach ihren beiden Spielen nicht nach Hause fahren dürfen, weil sie nicht wissen, wie die Ergebnisse am 3. Gruppenspieltag lauten, sind natürlich Ergebnisabsprachen auf Kosten des Wartenden noch auf dem Spielfeld möglich.

Das hat es ja ähnlich – Infantino war da zwölf Jahre alt – schon gegeben. Durch einen absurden Modus bei der WM in Spanien mit 24 Mannschaften wäre Deutschland bei einem 0:0 gegen Österreich gescheitert, und Österreich hätte bei einem Torunterschied von drei Treffern zugunsten der Piefkes nach Hause fahren müssen. So stellten die Mannschaften nach dem frühen 1:0 von Horst Hrubesch das Fußballspielen ein. Algerien, das Derwall-Deutschland sensationell 2:1 bezwungen hatte, musste nach Afrika zurück kehren. Der Anekdote zufolge hat Leitwolf Paul Breitner den viel zu ehrgeizigen, eingewechselten Jungspund Lothar Matthäus noch sinngemäß angemeckert : « Merkst Du nicht, was hier läuft ? »

Solche Vorfälle kennt Infntino natürlich aus dem Aktenstudium. Drum ließ er in der letzten Woche den größten aller Versuch-Ballons steigen. Der war aber aus meiner bescheidenen Sicht leider nur halb aufepumpt. Infantino schlug vor, beim letzten , Achtung, beim letzten ! Gruppenspiel das Unentschieden abzuschaffen und den Sieger durch ein Elfmeterschießen zu küren, um den Wartenden nicht zu benachteiligen.

Was für ein Unfug ! Dann dürfte Yogi Löw keinen Spieler von Bayer Leverkusen mehr in die Nationalmannschaft berufen, dann müsste der dritte Torhüter ein ausgebildeter Elfmeterkiller für den Ernstfall sein !

Da hätte Infantino wirklich seine Akten besser studieren sollen. Sein Vorgänger Blatter war schon vor  mindestens einem Jahrzehnt konsequenter. Der hatte in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst gefordert, zur Gaudi der Zuschauer und zur Erzwingung eines offensiveren Spiels bei jedem Liga- und internationalem Spiel VOR Anpfiff ein Elfmeterschießen durchzuführen. Endete das Spiel Unentschieden, hätte der Sieger der Srafstoß-Lotterie zwei Punkte in der Tabelle erhalten, der Verlierer einen.

Das, ja das war noch ein prall gefüllter Versuchsballon ! Das war konsequent zu Ende gedacht ! Aber seinerzeit zogen die Gralshüter des Fußballs, die jetzt für den Videobeweis plädieren, bereits die Ehrennadel aus dem Revers, ehe der Ballon überhaupt starten konnte und erklärten die Blattersche Vision zu einer Schnapsidee.

 

Rainer Kalb

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